Volle Konzentration: Breeana vor dem Start neben ihrer Anschieberin (links)

Die Australierin Breeana Walker fährt Bob. Das Virus hielt sie in Wiesbaden. Und die Liebe. Nun ist sie eine von uns.

Von Heike Gruner

Australiens Bobpilotin Breeana Walker bringt internationales Flair nach Wiesbaden. Die 27-jährige hat der Liebe wegen und Corona-bedingt ihren Lebensmittelpunkt im Frühjahr dieses Jahres komplett nach Deutschland verlegt und sich dem Landesstützpunkt bei der Wiesbadener Eintracht angeschlossen. Die WM-Vierzehnte von Altenberg und Lebensgefährtin von Anschieber Christian Hammers trainierte bereits vorher in Wiesbaden, wenn sie in Europa unterwegs war.

„Da Breeana schon seit 2018 im Sommer viel mit unserem Wiesbadener Trainer Tim Restle trainierte, war die Entscheidung, sich der Eintracht Wiesbaden anzuschließen, nur folgerichtig“, erklärt Erica Fischbach, Präsidentin des Hessischen Bob- und Schlittensportverbandes. „Breeana ist eine tolle Athletin, und ich freue mich sehr, dass sie jetzt offiziell bei uns am Stützpunkt trainiert. Nicht nur für den Verein, sondern auch für den Verband und die Stadt Wiesbaden ist es eine große Ehre und Anerkennung der bisherigen Arbeit, dass sie als australische Bobpilotin sich bei uns fit hält. In ihrer Leidenschaft, ihrem Engagement, dem Herzblut und ihrer Zielstrebigkeit, was die Verwirklichung ihres olympischen Traumes betrifft, erkenne ich mich selbst wieder. Und deshalb werden wir Breeana gerne mit allem, was in unser Macht steht, unterstützen.“

Nach der WM in Altenberg nicht zurück nach Hause zu fahren, war eine der härtesten Entscheidungen, die sie treffen musste, erzählt Breeana, die alle nur Bree nennen. „Keiner wusste, wie lange die Corona-Pandemie andauern würde, und da in meiner Heimat Australien von Beginn an knallharte Quarantänemaßnahmen galten, gab es für mich als Athletin keine andere Entscheidung als hier in Deutschland zu bleiben. Ich hatte immer wieder großes Heimweh und trotz Skype und Telefon zwischenzeitlich einfach das Gefühl, kein Zuhause zu haben“, erzählt Bree voller Emotionen. Seit über einem Jahr war sie nicht mehr zuhause bei ihrer Familie und ihren Freunden.

Trainingspause: Bree in Wiesbaden auf der Bahn

Anfangs wohnte sie mit bei Christian Hammers‘ Familie, aber seit einigen Wochen haben beide ihre erste gemeinsame Wohnung in Frankfurt am Main bezogen. Da die Nutzung der Trainingsstätte während der harten Corona-Phase nur Vereinsmitgliedern vorbehalten war, trainierte Bree zunächst auf dem Parkplatz und kann dem alternativen Training viel Gutes abgewinnen, weil sie Neues ausprobiert hat. So ist sie viel auf Rasen und im Wald gelaufen und hat jetzt das Gefühl, dass ihre Fußgelenke deutlich gestärkt sind.

Peking 2022 fest im Blick

2020 soll ihr Jahr werden. „Keine Uni, keine Arbeit, keine Ausreden“ hatte sie nach der Saison bei Instagram gepostet. Daran hält sie trotz Corona-bedingter Einschränkungen fest. Ihr Ziel: Bei den Olympischen Winterspielen in Peking 2022 bei der Eröffnungsfeier mit der australischen Mannschaft einmarschieren!

Seit 2016 ist sie Bobpilotin, doch zuvor träumte sie den olympischen Traum als 400m-Hürdenläuferin. Nach der Highschool trat Bree dem renommierten Don Caster Athletic Club bei und ging dann mit einem Leichtathletik-Stipendium an die University of Arkansas in Little Rock (USA). Es war für sie ein wichtiges Jahr, um fernab vom Elternhaus als Mensch und Athletin zu wachsen. Allerdings bekam ihr das gewicht-fokussierte Training der US-Amerikaner überhaupt nicht, und die antrainierte Muskelmasse warf sie auf der Laufbahn gefühlt um Jahre zurück.

„Meine Mutter dachte, ich spinne“

Zurück in Australien trainierte sie bei Peter Fortune, dem früheren Coach von Australiens Olympiasiegerin Cathy Freeman in Melbourne. Er brachte sie zurück in Form, aber auch auf die Idee, sportlich etwas Neues zu probieren. 2016 stellte sie für sich alles auf den Prüfstand und fragte sich, ob sie es als Leichtathletin zu den Olympischen Spielen schaffen würde. Die Antwort war Nein, und so begann die ernsthafte Suche nach einer sportlichen Alternative. Rugby und Australian Football waren unter anderem im Gespräch. Auf der Webseite des australischen Bobverbandes fand sie den Termin für ein bevorstehendes „Talent-Camp“. Bree bewarb sich und wurde eingeladen.

„Mein Coach war begeistert und meinte, wir sollten uns dann wohl anstelle von langen Tempoläufen auf kurze Sprints konzentrieren. Meine Mutter dachte, ich spinne, und es sei eine verrückte Idee.“

Bree nahm in Sydney am Schnupper-Camp teil, und dann nahm die Bobgeschichte ihren Lauf. Doch bevor es zur Ausbildung nach Übersee ging, musste sie knapp 10.000 Dollar auftreiben. „Es wird langsam besser, aber im Grunde müssen wir unsere Saison komplett selbst finanzieren. Als ich anfing zu 100 Prozent, aber ich habe tolle Leute gefunden, die an mich geglaubt und mich unterstützt haben.“

Ihre Ausbildung zur Pilotin begann im kanadischen Whistler, auf einer der härtesten Kunsteisbahnen der Welt. „An die erste Fahrt kann ich mich gut erinnern. Es war überall einfach nur weiß, und alles ging extrem schnell. Ich bin damals mit 90 km/h runter, was mich heute wahnsinnig machen würde, weil es so langsam ist. [lacht] Aber damals war es einfach nur schnell, und ich habe die ganze erste Woche über die Kurve 14 nie gesehen. Ich habe die Hälfte von dem, was ich heute sehe, einfach nicht gesehen. Es war verrückt, aber unten angekommen, wollte ich sofort wieder runterfahren“, beschreibt sie ihre turbulente Anfangszeit.

„Was mich heute antreibt, ist das Gefühl, noch so viel mehr aus mir und dem Bob herausholen zu können, als früher als Läuferin auf der Tartanbahn. Ich mag die Abwechslung, die verschiedenen Bahnen, das Zusammenspiel von Wetter, den Eiskonditionen, den Abläufen im Team, aber auch die mentale Stärke, die ich als Pilotin aufbringen muss. Zudem halte ich unser Team zusammen.“

Bree und ihr Team bestehend aus Sarah Blizzard und Stefanie Fernandez (v. L. n. R)

Ihre erste komplette Saison fuhr sie 2017/18 auf dem Weg zu den Olympischen Spielen PyeongChang 2018. Mit Unterstützung der früheren australischen Bobpilotin Astrid Loch-Wilkinson plante sie die Olympiasaison. Sportlich hatte sie die Qualifikation erreicht, aber der australische Bobverband nominierte sie nicht wegen fehlender physischer Standards. „Es war frustrierend, weil ich nicht fahrerisch, sondern an fehlenden Kraftwerten gescheitert bin. Aber ich habe daraus gelernt. Wenn es solche Standards gibt, dann muss ich sie eben erreichen!“

Es war eine harte Lehrstunde für Bree, aber sie gab nicht auf. Sie fuhr auf eigene Kosten als Zuschauerin nach PyeongChang, um zu lernen, und sich die Abläufe vor Ort anzuschauen. Diese Bilder und das besondere olympische Flair ruft sie jetzt vor ihrem inneren Auge immer dann ab, wenn eher unangenehme Trainingseinheiten auf dem Plan stehen.

„Das Ziel Peking 2022 ist greifbar. Ich habe mit Stefanie Preiksa und Sarah Blizzard ein starkes Team. Beide haben sich schnell im Bobsport integriert. Sie trainieren jetzt in Australien und ab Oktober wieder mit mir und meinem neuen Bobcoach Matthias Böhmer in Europa. Zudem gibt es mit Monobob eine neue olympische Disziplin, die eine tolle Chance für mich ist. Ich denke, durch den Einheitsbob haben auch kleinere Nationen die Chance, sich bei Olympia vorne zu platzieren“, ist Bree optimistisch. Sie fühlt sich fit und wettkampffähig wie nie und kann sich Dank Unterstützung ihrer Familie, des australischen Verbandes, ihres neuen Vereins in Wiesbaden und zahlreicher deutscher Partner und Sponsoren komplett auf ihren Sport und ihren olympischen Traum konzentrieren.

Dieser Text wurde am 18. September im BSD-Portal publiziert. Wir danken für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Fotos: Viesturs Lacis/BSD/privat