Karate bei der Eintracht ist seit der Gründung mit einem Namen verbunden: Georg Fylakos. Eine Geschichte über den Meister und seine Gruppe.
Von Lorenz Hemicker
In Japan, wo Karate in seiner heutigen Form seinen Ursprung hat, lagen Poesie und Kriegskunst nie weit auseinander. Wer den Weg des Schwerts wählte, wählte häufig auch den des Griffels. Funakoshi Gichin, Vater des weltweit am häufigsten anzutreffenden Karate-Stils, war ein Meister der Schreibkunst. Sein Künstlername Shõtõ („Pinienrauschen“) wurde namensbildend für seine Stilrichtung.
Als Gichin 1957 starb, war Georgios Fylakos zwei Jahre alt. Er sollte derjenige werden, der, ganz im Sinne Gichins, 55 Jahre später die erste Karategruppe der Eintracht ins Leben rief und dessen Zentrum er bis heute in jeder Hinsicht ist. Georgios, der längst von allen Georg genannt wird, ist ein Krieger und ein Künstler. Es gibt kaum einen Kampfsport, den er nicht beherrscht. Seine Liebe und Passion gelten ebenso der Musik. Mit seiner Bouzouki, einer griechischen Schallenhalslaute, tourte Georg viele Jahre durch ganz Europa.
Den Weg zum Karate hätte Georg wohl nie gefunden ohne einen Freund aus seiner Kinderzeit im Rheinland. Damals nahm der Junge ihn mal mit zum Boxtraining. Georg trotzte dem Freund direkt ein Unentschieden ab, nicht wissend, dass er gegen den deutschen Vizemeister seiner Klasse angetreten war! Von da an war sein Talent offenkundig. Georg entwickelte für Kampfsportarten eine regelrechte Passion. Auf Boxen folgte, Jiu-Jitsu, Karate, Kickboxen, Judo, Kyusho-Jitsu und Ju-Jutsu. Parallel dazu wurde er musikalisch erfolgreich und reiste für viele Jahre regelmäßig von Konzert zu Konzert. Als er mit seiner Frau zusammen nach Wiesbaden zog und ein griechisches Restaurant eröffnete, erinnert sich Georg, habe er manchen Abend zunächst im Lokal gearbeitet, sich dann ins Auto gesetzt, um nachts ein Konzert zu spielen, und schließlich habe er dann noch am nächsten Morgen direkt wieder auf der Matte bei irgendeinem Wettkampf gestanden.
Hinweise darauf, wie er das alles hinbekommen hat, ohne selbst K.O. zu gehen, bekommt, wer Georg eine Weile beim Training in der Berghofhalle beobachtet. Sein 66 Jahre alter Körper bewegt sich mit der Geschmeidigkeit eines trainierten Mittdreißigers – das offenkundige Resultat jahrzehntelangen, disziplinierten Trainings. Härte zu sich selbst, verbunden mit Zähigkeit, einem hohen Maß an innerer Ruhe und Präsenz – das strahlt Georg aus; es sind Tugenden, die viele Jugendliche heute nicht mehr finden und die, so sie nicht direkt nach dem ersten Training das Weite suchen, sie oftmals zu jahrelangen, treuen Schülerinnen und Schülern des Karate-Meisters im 6. Dan-Grad machen. Über 25 zählt die Karate-Gruppe derzeit.
Für Georg, der bis heute zahlreiche Kampf-sportkurse in Wiesbaden gibt, ist das eigene Auftreten Teil des Trainings. Ein Instrument muss hier zwar keiner parallel lernen, aber Zugewandtheit, Opferbereitschaft und Teamgeist sind für ihn unverzichtbar, um zu einem verantwortungsvollen Karate-Sportler zu reifen. „Das Endziel des Karate liegt weder im Sieg noch in der Niederlage, sondern in der Vervollkommnung des Charakters seiner Teilnehmer“. Dieses Zitat wird Gichin zugeschrieben. Georg würde es so unterschreiben.