Kim Kalicki im „Molino“ in der Wiesbadener Innenstadt

Mit gerade 23 Jahren ist die Vize-Bobweltmeisterin inzwischen bekannteste Sportlerin der Eintracht. Ihr großes Ziel hat sie auch in Pandemie-Zeiten nicht aus dem Blick verloren.

Von Lorenz Hemicker

An den vierten Lauf erinnert sie sich noch immer. Kim Kalicki, Eintrachtlerin und Vize-Weltmeisterin im Zweierbob, sitzt im Café Molino. Vor ihr ein Cappucino, neben ihr Freud Costa Laurenz. Wie sie Bobsportler, Eintrachler und Polizist. Ein Power-Paar.

Bevor es ein letztes Mal den Eiskanal hinunterging, sei sie ganz schön aufgeregt gewesen, gesteht Kim. Damals, am 22. Februar bei der Bob-WM in Altenberg. Da standen ihre Anschieberin Kira Lipperheide und sie zur Überraschung der Bob-Welt nach dem dritten Lauf schon auf Rang zwei. Eigentlich hätten sie den letzten Durchgang nur noch vernünftig absolvieren müssen. „Aber es ist halt Altenberg. Man muss auch erstmal runterkommen.“

Sie habe noch kurz an ihre Familie und Costa gedacht, die unten am Ziel auf sie warteten. Dann volle Konzentration auf die letzte Fahrt und den Bob, den die beide Mechaniker („Marco“ und „Steini“) schon aufs Eis gestellt hatten. Mit Kira abklatschen. In Position, und los!

Seit Altenberg kennt sie jeder

Die Bahn in Altenberg ist Kims Hausstrecke. Sie fährt dort häufig. In Wiesbaden, ihrer Heimat, kann sie sich fit halten und trainieren. Einen Eiskanal aber gibt es hier nicht. Mühelos wie sie durch die Bahn gleitet kann sie die Herausforderungen jeder Kurve beschreiben. Im oberen Teil müsse sie die Lenkseile nur leicht „anschnicken“. In Kreisel, wo der Bob wie auf einer Welle hin- und herrollt, treten hingegen dann Kräfte bis zur sechsfachen Fallbeschleunigung auf. „Nachdem wir da durch waren, war ich mir sicher, dass wir es schaffen“, sagt sie.

Am Ende stand die Sensation: Kim Kalicki und Kira Lipperheide landeten bei ihrem WM-Debüt nur 37 Hundertstel hinter der Amerikanierin Kaili Humphries, einer echten „Grand Dame“ des Bobsports. Seitdem kennt sie jeder.

„Ich gehe entspannter an Sachen ran“

Was muss passieren, damit ein Wiesbadener Mädchen zu einem aufsteigenden Stern am Wintersporthimmel wird? Kim überlegt einen Moment lang, bevor sie antwortet. Schnell zu rennen war schon immer ihr Ding. Egal, ob auf dem Pausenhof, beim Fußball oder später als Leichtathletin. Vor drei Jahren noch rannte Kim für die Eintracht die 100 Meter in 12,3 Sekunden. Pfeilschnell, sozusagen. Sie bringe „von der Athletik her gute Voraussetzungen mit“, sagt Kim bescheiden. Und „das gewisse Talent fürs Fahren.“ Die Verbindung von beidem ist es, was heutzutage von Bob-Pilotinnen gefordert wird. Der vielleicht entscheidende Punkt, warum sie gerade jetzt den Durchbruch geschafft hat, verortet Kim aber noch woanders. „Ich gehe generell entspannter an Sachen ran“, sagt sie.

Bei den Juniorinnen-Weltmeisterschaften, die sie 2017, 2019 und 2020 gewann, sei sie tausendmal aufgeregter gewesen. Früher sei sie häufig genervt gewesen, wenn etwas nicht lief. Das passiere ihr inzwischen nicht mehr. Ohne eine gewisse stoische Grundhaltung hätte sie ihren Alltag in der jüngsten Vergangenheit auch kaum so gut bewältigt. Die viele Pendelei zwischen der Bahn in Altenberg und Wiesbaden. Und auch die Abstimmung von Athletiktraining und dem Dienst bei der Landespolizei Hessen, wo sie inzwischen zur Kommissarin aufgestiegen ist.

Selbst die Corona-Pandemie hat Kim nicht mehr aus der Ruhe gebracht. Der Lockdown fiel mitten in die Saisonpause, ihr Training sei davon unbeeinflusst geblieben. Nur der geplanten Fernreise mit Freund Costa trauert sie ein wenig nach. Stattdessen geht es im Juli nun für eine Woche an die Nordsee. „Da freuen wir uns drauf. Und nächstes Jahr geht es dann hoffentlich wieder richtig weg.“

Ansonsten, sagt Kim, wolle sie ihrer Heimat und der Eintracht treu bleiben. In Wiesbaden habe sie bis auf eine echte Hausbahn alles, was sie brauche. In den kommenden beiden Jahren will sie sich weiter voll auf den Bobsport konzentrieren. Das muss sie auch, um ihr großes Ziel zu erreichen: Einmal an den Olympischen Winterspielen teilzunehmen. Für Kim, die an diesem Samstag 23 Jahre alt geworden ist, würde damit ein Traum in Erfüllung gehen. Und für die Eintracht auch.

Kim, ihr Freund Costa Laurenz und Eintracht-Pressewart Lorenz Hemicker (links)