Wenige Tage nach der Anfrage für Input zur Chronik an ehemalige Mitglieder klingelte mein Handy: „Julia, hier ist Helmut.“ Es war der Beginn in einer intensive Reise durch unsere Volleyballabteilung.

Von Julia Frauendorf & Klaus-Peter Kiefer

„Rothemden” in Aktion 1976

2021 ist für die Eintracht ein Jahr der Jubiläen. Unser Verein wird 175 Jahre alt. Die Tischtennisabteilung feiert ihren 70. Geburtstag. Auch für die Volleyballabteilung steht ein runder Geburtstag an: Sie wird 50. So ein halbes Jahrhundert verdient der Würdigung. Schon vor zwei Jahren ging mir dazu die Idee einer großen Feier durch den Kopf, am besten mit neu gebauten Beachplätzen neben unserer schönen Tennisanlage auf dem Freudenberg. Nun sieht die Welt 2021 anders aus. Wir sind zur Distanz gezwungen und zerbrechen uns den Kopf, wie wir inmitten der Pandemie ein Trainingsangebot für unsere Mitglieder auf die Beine stellen können. Doch das Coronavirus soll nicht allzu viel Platz in diesem Bericht einnehmen. Unsere Abteilung besteht schon viel länger, wird es auch weiterhin tun und aus ihr gibt es noch ganz andere Geschichten zu erzählen. Bei der Recherche für die Jubiläumsausgabe haben einige ehemalige Spielerinnen und Spieler mitgewirkt. Das Ergebnis ist eine Kombination aus Historie, alten Erinnerungen und Personen, die unsere Abteilung geprägt haben und heute bei vielen in Vergessenheit geraten sind.

Helmut Heinzmann –
treuer Begleiter seit der ersten Stunde

Wenige Tage nach der Anfrage für Input zur Chronik an ehemalige Mitglieder klingelt mein Handy: „Julia, hier ist Helmut. Ich habe deine E-Mail gesehen und habe hier eine Kiste mit alten Fotos. Ein paar Leute von früher habe ich auch noch angefragt. Vielleicht kannst du was davon gebrauchen. Komm‘ doch mal bei mir vorbei, und ich zeige dir alles“, sagt Helmut Heinzmann. Heutzutage werden ihn die meisten im Verein nicht mehr kennen, obwohl er wahrlich viel zu erzählen hat. Darum möchte ich euch unser Abteilungsmitglied mit der längsten Vereinszugehörigkeit vorstellen
„Es fing alles in der Turnabteilung an. Da gab es eine Herrentruppe, die Prellball gespielt hat und ich war mit Ende 20 einer der Jüngsten. Eines Tages kam jemand auf die Idee, Volleyball zu spielen, weil ein Netz in der Halle war.“ Das sei die Geburtsstunde der Volleyballer gewesen, berichtet der mittlerweile 87 Jahre alte Eintrachtler bei unserem Treffen im März. Das müsste so gegen Ende der 1960er Jahre gewesen sein. Wenig später wird die Volleyballabteilung gegründet, und Helmut engagiert sich von Beginn an. 1974 übernimmt er die Abteilungsleitung und führt sie 16 Jahre lang mit Herzblut. „Ich habe manchmal schon verrückte Sachen gemacht. Einmal bin ich samstags bis Stadtallendorf gefahren, um Spielerpässe vom Staffelleiter abstempeln zu lassen. Damit ein Spieler am Sonntag spielen kann“, erzählt Helmut und muss dabei schmunzeln, „meine Frau war davon nicht immer begeistert“. Helmut ist mit dabei, als sich unsere Volleyballer an die Spitze in Deutschland spielen. Als er die Einladung vom Turnverein Biebrich bekommt, einen Volleyballverein in Wiesbaden zu gründen, lehnt er ab. „Ich bin damals an dem Tag von der Eintracht geehrt worden. Ich habe gesagt, dass das nicht geht, ich gehöre zur Eintracht“.

Aufstieg in die 2. Liga 2004

Danach folgen schwierige Jahre. Fast alle Mitglieder wechseln in den neu gegründeten, leistungsorientierteren 1. Volleyballclub Wiesbaden. Für die Verbliebenen ist Helmut weiterhin da und führt die Abteilung zu neuen Erfolgen. Einige Spielerinnen und Spieler finden den Weg zurück zur Eintracht. Helmut sagt: „Wir waren nie Profis und haben uns so auch nicht gesehen. Wir wollten Volleyball mit Leistungsansprüchen spielen und das haben wir getan“. Insbesondere an die Spiele mit der ersten Damenmannschaft in der Zweiten Bundesliga erinnert er sich gerne. „Die Fahrten nach Stuttgart oder Lebach in den 1980ern, das war damals etwas ganz Besonderes“.

Auch nachdem er die Abteilungsleitung 1990 abgibt und schon lange selbst nicht mehr spielt, bleibt er unserer Abteilung treu. Im Arbeitszimmer zeigt er mir ein Mannschaftsbild der ersten Herrenmannschaft aus dem Jahr 2004. Damals stiegen auch die Männer in die Zweite Bundesliga auf. Ein Meistershirt der Zweiten Liga von 2006 gibt er mir mit jeder Menge Fotos und Zeitungsberichten über die Damen aus den 1980ern mit. Heute verfolgt Helmut immer noch die Entwicklung der Abteilung. Wie leidenschaftlich und treu er ist, wenn es um die Eintracht geht, merkt man ihm heute noch an. Wenn möglich, kommt er zu Sitzungen des Fördervereins und schaut an Heimspieltagen in der Halle vorbei. Haltet beim nächsten, großen Heimspiel die Augen auf. Vielleicht entdeckt ihr unser Ehrenmitglied unter den Zuschauern. Helmut, wir danken dir für dein langjähriges Engagement und werden deine Abteilung mit genauso viel Begeisterung und Leidenschaft weiterführen!

Damen1 mit Trainer Hansi (links) und Helmut (rechts) 1978

Leidenschaft oder nächtliche Ruhestörung nachts um vier


Die Eintracht hat den Volleyballboom, wie er auch durch die Olympiade München 1972 ausgelöst wurde, voll mitbekommen. Das Engagement der Mitglieder war ungemein groß. Es herrschte ein toller Gemeinschaftssinn und auch die Trainingsabende waren immer voll gespickt mit privaten Zusatzevents. Dienstags nach dem Training ging es in den „Pferdestall“; eine Disko, die erst morgens um vier Uhr verlassen wurde. Natürlich mussten wir im Anschluss auf der Straße Volleyball spielen, bis die Polizei unser Spiel stoppte. „Nächtliche Ruhestörung“ wurde es genannt. Dabei war das doch nur Vorbereitungsarbeit für die nächsten Spieltage. Schließlich hatten wir Spaß und große Ziele. Eine Patenschaft mit Podoli Praha brachte uns 1973 mit den Damen zu einem Turnier nach Prag. Trainer Hansi Lauer und ich fuhren damals inmitten des Kalten Kriegs nicht mit dem Reisebus, sondern in einem Renault 4 in die Hauptstadt der Tschechoslowakei. Direkt danach sollte es zum Deutschen Turnfest nach Stuttgart gehen. Dort waren nämlich unsere Herren gemeldet. Die Zeit war knapp, und so mussten wir in einer Nachtfahrt nach Stuttgart, um rechtzeitig zum Turnierbeginn dort zu sein. Ein riesiges Turnier mit über 300 Mannschaften aus ganz Deutschland. Es wurde auf Fußballplätzen im Freien gespielt und die ersten Runden wurden im K.-O.-System ausgetragen. Was glaubt ihr, wer unser erster Gegner „per Los“ war? Der Turn- und Sportverein Dotzheim! Wir waren damals die Tabellenführer in der Bezirksklasse und beide bereit, in die Hessenliga aufzusteigen. Es waren damit ausgerechnet unsere Angstgegner aus der Heimat, die uns von allen Mannschaften aus ganz Deutschland für die erste Runde zugelost wurde. Der Sieg ging an uns! Dotzheim konnte die Heimreise antreten. Wir haben damals noch eine ganze Woche in Stuttgart verbracht und uns bis in den Kreis der besten 16 Mannschaften Deutschlands vorgekämpft. Es war eine erfolgreiche Woche.

Als Mannschaft waren wir fast immer unschlagbar. Unser Teamgeist war einzigartig. So haben wir oft mit Kampfgeist und gegenseitigem Urvertrauen Spiele gegen technisch bessere Gegner gewinnen können. Nicht umsonst existieren noch bis heute Freundschaften aus jener Zeit. Seit mindestens 50 Jahre haben sie gehalten … und sie werden noch lange halten!!! Die Basis dafür hat die Eintracht mitgestaltet.

Die Jahre 2000 bis 2021 –
Wandel zum Jugendverein

Nicht immer ging es bergauf. 1990 beanstandete der technische Leiter der Abteilung, dass wir „keine nennenswerte eigene Jugend vorzuweisen haben“. Trainern wurde mangelnde Motivation vorgeworfen, und nur wenige Personen engagierten sich. Das damalige Protokoll der Abteilungsversammlung liest sich wie eine Krisensitzung.

Als mich meine Schwester 2004 mit in das Training der weiblichen Jugend nahm, sah ich die Auswirkungen der zurückliegenden Jahre. Neben unserer Mädchengruppe gab es noch eine Jungenmannschaft, eine Damengruppe und sechs Herrenteams, die zwar von der Kreisliga bis zur 2. Liga vertreten waren, jedoch überwiegend aus älteren Spielern bestanden. Kurz darauf löste sich das Damenteam nach vermehrten Abstiegen auf und wir übernahmen den Startplatz in der Kreisliga. Von den erfolgreichen, alten Zeiten war nur noch wenig zu sehen. André Kohnen, Uli Pogoda, Kostas Katikakis (Mädchen) und Reinhold Butsch (Jungs) leisteten damals wichtige Jugendarbeit, die eine neue Zeit einleitete. Kurz darauf wurden wieder zwei Damenteams gemeldet. Die Jugendtrainer unternahmen viel mit uns Jugendlichen und sorgten so für viele, schöne Erinnerungen. Das Jugendtrainingslager auf der Loreley, die Beachvolleyballfreizeit in den Niederlanden, der Besuch des Hessenpokalfinales Eintracht gegen Kriftel sind Beispiele dafür. Meine Freundin Anna und ich gehörten damals zu den Jugendspielern, die jede freie Minute mit Begeisterung in der Halle verbrachten. Wenn wir nicht selbst spielten, waren wir bei den Spielen der Zweiten Liga und halfen als Ballroller, Wischer oder Anschreiber aus. Als die Herren1 die Meisterschaft der zweiten Bundesliga feierten, waren wir in der Halle. Gemeinsam mit der TG Rüsselsheim, die damals Zweiter wurde, gründete die Eintracht den neuen Bundesligisten Rhein-Main-Volleys, quasi den Vorgänger der heutigen United Volleys Frankfurt. Das Team spielte zwei Jahre in der Bundesliga, bevor es wieder abstieg und zur TG Rüsselsheim wechselte. Durch den Abgang einiger Spieler in den neuen Verein schrumpfte die Abteilung wieder.

Die Talentfördergruppe 98/99 besucht die Herren1 (2008)

Kurz darauf übernahmen wir ehemaligen Jugendspieler (darunter auch Falk Grautegein, Linda Wilhelm, meine beiden Schwestern und ich) eigene Jugendteams und sorgten dafür, dass hier die Anzahl der Jugend-Trainingsgruppen wieder anstieg.


2008 traf unser damaliger Abteilungsleiter und Spieler Alex Arzt eine Entscheidung, die endgültig das Gesicht der Abteilung verändern sollte. Mit der Kooperation der neu entstandenen Talentförderung kommen seither jährlich neue, talentierte Jungs in unsere Abteilung. Rückblickend muss man sagen, dass unsere ehrenamtlich organisierte Abteilung damals strukturell nicht für solch ein Wachstum vorbereitet war. Nach anfänglichen Erfolgen und Deutschen Meisterschaften mussten wir auch Lehrgeld zahlen. Für unsere hochklassigen Herrenmannschaften kam die Kooperation ein paar Jahre zu spät. Wir konnten höhere Spielklassen wie die Dritte Bundesliga nicht halten und wichtige Strukturen brachen uns weg. Hinzu kamen finanzielle Probleme.

In der turbulenten Zeit stieß Peter Gresch zur Abteilungsleitung hinzu. Alex, er und ich waren damals nicht immer einer Meinung. Doch Peter stieß viele Themen an und traf wichtige Entscheidungen, die manchmal nicht bei allen auf Begeisterung stießen. Er hat enorm viel dazu beigetragen, unsere Abteilung dort hinzuführen, wo wir heute sind: 2014 konnten wir Olaf Minter als hauptamtlichen Trainer im männlichen Bereich gewinnen, vier Jahre später nahmen wir die Damen des 1. Sportclubs Klarenthal auf, die von ihrem Verein nicht mehr unterstützt wurden. Wir durften auch unsere ehemalige Spielerin Ute Sander als Jugendtrainerin bei der Eintracht zurückbegrüßen, die seitdem im Mädchenbereich gute Arbeit leistet. Auch bei den Herren geht es bergauf. Mit Heike Müller haben wir eine engagierte Trainerin, die erfolgreich unser Landesliga Team führt und sich gemeinsam mit der Mannschaft große Ziele gesteckt hat.

Wenn ich auf meine bisherigen 17 Jahre bei der Eintracht zurückblicke, dann hat sich einiges geändert. Mittlerweile engagieren sich nicht mehr Einzelne, sondern über 20 Trainer bieten rund 250 aktiven Mitgliedern ein breites Angebot. Viele Eltern unterstützen uns an den Spieltagen als Fahrer, Fans und Thekenverkäufer. Seit 2020 besteht unsere Abteilungsleitung mit Linda, Madeleine, Sabina und mir aus vier Personen. Aus dem „Altherrenclub“ ist eine lebendige Abteilung mit viel Nachwuchs geworden, die sich sehen lassen kann.

Jüngster Erfolg der Mädchen: Zweiter Platz U15 Beach HM 2020

Und wie geht´s weiter?

Die vergangenen Monate wurde unser Alltag und auch unser Sport- und Vereinsleben durch die Pandemie nahezu stillgelegt. Das Training konnte nur online stattfinden. Die Rückkehr in den Trainingsbetrieb steht an oberster Stelle, Wettkämpfe und große Turniere scheinen in weite Ferne gerückt. Dennoch wird es eine Zeit danach geben und es stellt sich die Frage, wie es mit der Abteilung weiter geht. Was wollen wir erreichen? Wo wollen wir uns hin entwickeln?

Ideen gibt es viele: Die früheren Trainingscamps und Freizeiten wieder aufleben zu lassen, unsere Beachvolleyball-Felder auf der Eintracht-Anlage am Freudenberg abermals (auszu-)bauen, den männlichen Jugendbereich weiter zu professionalisieren, am Pilot-Projekt U16 männliche Bundesjugendliga teilzunehmen, mehr (Beachvolleyball-) Turniere auszurichten, den Damenbereich besser aufeinander abzustimmen und die weibliche Jugend auszubauen.

U13-Spieltag in Wiesbaden mit acht Eintracht-Teams 2020

Als Jugendliche durfte ich selbst viele positive Erinnerungen in unserem Verein sammeln. Heute blicke ich gerne auf sie zurück. Es ist sicher ein Grund, weswegen ich mich seit Jahren neben dem Feld für unsere Abteilung einsetze. Mit so vielen Unterstützern an der Seite bin ich überzeugt, dass wir gemeinem viele dieser Ideen Realität werden lassen können und noch viele Erfolge feiern werden. In der jungen Vergangenheit haben wir bereits bewiesen, dass wir dazu in der Lage sind. Beispiele dafür sind die Ausrichtung des Bundespokals im Jahr 2017 oder unser erfolgreiches Crowdfunding in diesem Jahr zur Deckung der durch die Corona-Pause entstandenen
Finanzlücke.


In vielen alten Geschichten und Dokumenten wird immer betont, dass wir nicht nur auf dem Blatt Eintracht heißen, sondern auch solch eine sind. Dieses Gemeinschaftsgefühl möchten wir weiter fördern und freuen uns auf viele, weitere Jahre mit euch!

Online-Training mit FSJler Fabio 2021

Die Rotblusen & Rothemden –
Die Mannschaft im Lauf der Zeit