Als Weltcupzweite beendet unsere Bob-Pilotin Kim Kalicki die vorletzte Saison vor den Olympischen Winterspielen. Trotz Umständen, die schwieriger kaum hätten sein können. Ein Gespräch, kurz vor der Weltmeisterschaft.

Montag, 3. März. In Deutschland ist es Nachmittag. In Lake Placid, im US-Bundesstaat New York, kehrt Kim Kalicki gerade in ihr Hotel zurück, die morgendliche Trainingseinheit hinter sich. Für die Bob-Weltmeisterschaft, die in wenigen Tagen beginnt.
Hallo Kim, wie läuft es in den USA? Hat sich, Stichwort Trump, etwas verändert oder läuft alles so wie immer?
Politisch hat sich nichts verändert. In Lake Placid und Umgebung scheinen die Trump-Anhänger schon lange in der Mehrheit zu sein. Dafür ist das Essen dieses Mal überragend, gemessen an den Verhältnissen, die hier sonst so herrschen.
Was gibt es Leckeres?
Bislang waren wir immer nur Sandwiches gewohnt. Die gab es jeden Mittag. Jetzt ist die Auswahl deutlich abwechslungsreicher. Es gibt viel Gemüse, viel Obst. Das kennt man sonst so hier nicht. Das ist echt ziemlich überragend.
Du bist mit Deinen Anschieberinnen nach Montreal geflogen, und dann mit einem Van hinunter nach Lake Placid gefahren. Das ist der leichtere Part. Wie schafft man einen Bob samt aller Ausrüstung über den Atlantik?
Das ist tatsächlich mit Aufwand verbunden. Wir verladen in der Regel zehn Tage, bevor wir in Lake Placid das erste Mal fahren, unsere Bobs und das ganze Gerödel, also Kufen, Poliermaschinen und das Werkzeug. Dann wird alles von der DHL rübergeflogen und auf einen Stellplatz in Lake Placid gestellt. Dort verladen wir alles in einen Container für den Transport zur Strecke. In dem bleibt alles dann die zweieinhalb Wochen hier.



Die Weltmeisterschaft bildet den Abschluss der Saison. Was ist Deine vorläufige Bilanz?
Es war auf jeden Fall eine sehr, sehr, sehr herausfordernde Saison für mich. Mein angestammtes Team war über weite Strecken der Saison weggebrochen. Anabel Galander wurde operiert, Leonie Fiebig hatte ebenfalls gesundheitliche Probleme, war deswegen die erste Saisonhälfte nicht dabei. Dabei sind die beiden für den Erfolg essenziell. Man kennt sich, weiß, wie die Abläufe sind, man kann sich auf die Leute verlassen. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wenn das alles wegfällt, ist das schon herausfordernd. Zumal wir auch direkt auf regelrechten Brecherbahnen wie in Altenberg waren und jetzt nicht unbedingt Innsbruck, wo man sagt, gut, ja, das ist jetzt eine entspannte Bahn. Und dann musste ich auch noch mit Erkältungen und Influenza Wettkämpfe fahren. Das war alles nicht so optimal, sag‘ ich Dir.
Du bist mit Fieber Wettkämpfe gefahren?
Ja, das zweite Mal in Sankt Moritz. Da ist sonntags das Rennen ausgefallen. Montag und Dienstag war ich komplett „out of order” mit fast 40 Grad Fieber. Aber ohne Pilotin, kein Rennen. Also musste ich am Mittwoch ins Training. Am Donnerstag habe ich mich dann nochmal ein wenig erholt. Aber am Wochenende war dann halt Wettkampf. Das habe ich jetzt die letzten paar Wochen noch gut gemerkt, dass ich meinem Körper da nichts Gutes getan habe.
Vor dem Hintergrund des Gesagten. Verletzte Anschieberinnen, Du selbst mit Grippe gehandicapt und dann auch noch der Unfall von Costa Laurenz, unserem Eintracht-Anschieber, Deinem Verlobten: Wie schaust Du auf die Leistungen von Deinem Team und Dir?
Wir können mit der Saison zufrieden sein. Wir sind Zweite im Gesamtweltcup geworden. Das zeigt, dass wir trotz der schwierigen Umstände durch die Bank sehr gute Leistungen gebracht haben. Aber natürlich nagt es an einem, dass wir nur einen Weltcupsieg errungen haben. Sonst waren es in der Regel drei bis vier von den acht Rennen. Aber die endgültige Bilanz steht und fällt mit den Ergebnissen bei der Weltmeisterschaft in den kommenden zwei Wochen.
Wir befinden uns jetzt schon im Countdown zu den Olympischen Winterspielen nächstes Jahr. Welche Rolle spielt der Blick nach Turin für Dich schon jetzt?
Momentan liegt der Fokus voll auf der WM. Was in einem Jahr sein wird, ist jetzt irrelevant. Aber danach geht es direkt in die Vollen. Man baut sich sein Team auf. Man führt viele Gespräche mit Trainern, Physios und Unterstützern, um zu schauen, dass man bestmöglich vorbereitet startet. Können wir noch ein paar Dinge ändern und die ein oder andere Hundertstel im Endeffekt rauskitzeln?
Und, könnt Ihr?
Ja, wir sind auf gutem Weg. Und ich hoffe, dass wir bis Anfang Mai so weit alles geregelt haben werden, dass wir uns von da an einfach nur noch aufs Training konzentrieren können.
Leonie Fiebig ist jetzt schon wieder an Deiner Seite und schiebt Dich an! Wie stehen die Chancen, dass Anabel Galander auch wieder bei Dir einsteigt?
Die Ärzte sind mega zufrieden, die Physios auch, die macht super Fortschritte. Das Team wird so auf jeden Fall bestehen bleiben, das kann ich auch schon sagen. Wir werden uns aber sehr wahrscheinlich noch eine Verstärkung dazuholen, einfach damit wir nicht in die Situation kommen, die wir diese Saison hatten. Damit wir im Zweifel nicht einfach dastehen und nicht wissen, wie wir jetzt die nächsten Rennen bestreiten sollen. Deswegen werde ich jetzt ein paar Gespräche führen und dann werden wir noch ein bisschen aufrüsten. Die erste Generalprobe wartet im September. Danach müssen sich die Mädels, die Top zwei zumindest aus dem Dreiergespann, über die Weltcups beweisen.
Eine Medaille bei Olympia ist Dein Traum. Es ist zugleich der Traum der Eintracht und von ganz Wiesbaden. Was kann der Einzelne tun, um Dir zu helfen, ihn wahr werden zu lassen?
Ich freue mich über Unterstützung in jeglicher Hinsicht. Positive Gedanken, ein motivierendes Wort, schon das ist enorm viel wert. Auch jeder Euro hilft. Über den Förderverein Bob & Leichtathletik kann man mich als Mitglied unterstützen und auch schon kleine Summen an mich spenden. Sponsoren können sich auch über meine Homepage oder LinkedIn direkt an mich wenden. Aber nochmal: Das Wichtigste ist das Gefühl, dass die Fans und Unterstützer hinter mir stehen, egal, wie es ausgeht. Ich werde alles geben.